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Hier finden Sie den Text von Franz Kafka: Vor dem Gesetz zu tun hat.

         

Der Türhüter vor Linux

Wenn Kafka in seiner Parabel - auch wenn es sich nicht im klassischen Sinne um eine solche handelt - von Gesetz spricht, so geht es nicht oder nicht nur um das Gesetz in seiner engen juristischen Begrifflichkeit. Heinz Politzer vergleicht Kafkas Parabeln mit Rorschach-Tests. Alle Deutungen sagen also letztlich mehr über den jeweiligen Interpreten aus als über den Text selbst. Seine Parabeln sind mehrdeutig und lassen sich nicht auf eine allgemeingültige Wahrheit reduzieren. Das heißt, Kafkas "Parabel" wird so viele Deutungsvarianten wie Leser finden. Politzer bezeichnet Kafkas Parabeln auf Grund ihrer Mehrdeutigkeit als "offene Parabeln". Ihre Mehrdeutigkeit hat also zur Folge, daß jeder Leser seine eigene, individuelle Wahrheit an die Stelle einer allgemeingültigen Lehre setzt (vgl. [Binder Kafka-Handbuch II. 1979: 790]). Im Rahmen ihrer Veröffentlichung innerhalb des Romans kann die Türhüterlegende weder Funktion noch Bedeutung der klassischen Parabel übernehmen, da sie ja zunächst im Zusammenhang mit der Situation Josef K.s steht und sich in erster Linie an diesen selbst richtet. Sie ist somit eher ein Bestandteil der fiktiven Wirklichkeit des Proceß und alle Analogien auf eine Sachebene außerhalb des Romans könnte man als interpretatorische Willkür bezeichnen. Aber auch als unabhängige und eigenständige Veröffentlichung ermöglicht sie dem Leser keine eindeutige Zuordnung von Bild- und Sachebene. Sie verkörpert nicht modellhaft alltägliche und allgemeine Gesetzmäßigkeiten. Im Gegenteil, Kafka konfrontiert den Leser mit unlösbaren Widersprüchen. Diese Widersprüche und Fragen, sowie der offensichtliche Mangel an entscheidenden Informationen, wie z. B. über Inhalt oder Bedeutung des Gesetzes oder die Position des Türhüters lassen sich nicht einfach auflösen, indem man sie als Metapher betrachtet und in einen anderen Gegenstandsbereich überträgt. Kafka scheint seinen Text mit Absicht so gestaltet zu haben, daß eine eindeutige und allgemeingültige Interpretation weder möglich noch von ihm gewollt ist. Er läßt Dinge ungeklärt, die für eine Auflösung von entscheidender Bedeutung wären. Man muß also zu dem Ergebnis kommen, daß die Türhütergeschichte der klassischen Parabelform nicht entspricht. Kafka bedient sich bei seiner Gestaltung zwar parabelhafter Elemente, nutzt jedoch ebenso Eigenarten und Merkmale anderer Erzählformen, wie z. B. dem Märchen für seine Zwecke. Parabeltypisch sind eine Reduktion auf das Wesentliche oder auch die abstrakte Darstellungsweise des Sachverhalts. Die prägnante, kühle und nüchtern beschreibende Sprache der Erzählung ist bezeichnend für den Stil Kafkas. So finden sich wenige Adjektive und eine eher puristische Syntax.

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